Kanaleo-Studie: Stellensuchverhalten nach Berufsbereichen

16. September 2020

In dieser umfangreich angelegten Analyse gehen wir der Grundsatzfrage nach, ob die Berufswahl einer Person das Suchverhalten nach neuen Jobs beeinflusst.

Stellensuchverhalten und Berufswahl - Gibt es einen Zusammenhang?

 Zweifelsohne gibt es verschiedene Wege wie ein Bewerbender auf eine Vakanz aufmerksam werden kann. Er oder sie kann aktiv aktuelle Stellenmärkte durchsuchen, beispielsweise durch die Nutzung von Stellenbörsen. Ein Bewerbender kann ebenso passiv informiert worden sein. Eine Empfehlung aus dem näheren Bekanntenkreis hat schon so manche Stelle besetzt. Ebenso spielt die Bekanntheit eines Unternehmens eine große Rolle. So gehört es bereits zum Allgemeinwissen, dass es in der Gemeinde Grünheide Nähe Berlin in naher Zukunft eine Unmenge an offenen Stellen zu besetzen gibt. Nicht zuletzt gibt es Berufsprofile, insb. im kaufmännischen Bereich, die in unterschiedlichsten Branchen benötigt werden. Andere Berufsprofile, beispielsweise Berufe des Gesundheits- und Sozialwesens, sind stark auf diese eine Branche begrenzt. 

Auf den ersten Blick ließe sich, angesichts der massiven Unterschiede innerhalb des Arbeitsmarktes mit seiner Branchenvielfalt, der verschiedengearteten Berufs- und Ausbildungsprofile und der vielfältigen Möglichkeiten Stellenausschreibungen zu finden, unsere eingangs gestellte Frage nur allzu leichtfertig bejahen. Wir wollen es aber genauer wissen. Dank unseres Bewerbercontrolling-Tools Kanaleo.de sind wir vom Empfehlungsbund in der Lage unsere Leitfrage auf Grundlage empirischer Forschungsmethoden stichhaltig zu beantworten. 

Die Ergebnisse unserer Analyse dürften eine profunde Wissensgrundlage liefern, mit deren Hilfe faktenbasierte Entscheidungen über die Ausrichtung der Recruitingstrategie auf der Suche bestimmter Berufsbereiche möglich sind. 

Angaben über die Datengrundlage

Insgesamt standen 7670 beobachtete Bewerber für diese Untersuchung zur Verfügung. Der Zeitraum der Untersuchung erstreckt sich dabei vom 01. August 2019 bis zum 01. August 2020. Zur Durchführung unserer Analyse teilten wir die Gesamtzahl der 7670 Bewerbenden in vier Berufsbereiche ein, die sich auf sortengetrennte Typen von Stellenausschreibungen beworben haben (Abbildung 1).

Gruppierung der 4 Berufsbereiche IT, MINT, OFFICE, SANO

  • IT = Stellenausschreibungen für Softwareentwickler, Softwaretester, Software-Support, Administrator und Fachinformatiker etc.
  • MINT = Stellenausschreibungen für Ingenieure (Maschinenbauer, Elektrotechniker, Verfahrenstechniker etc.), sowie technische Berufe ohne Hochschulabschluss
  • OFFICE = Stellenausschreibungen für kaufmännische Berufe, insb. Vertrieb, Kundenbetreuung, Buchhaltung, HR, Marketing etc. 
  • SANO = Stellenausschreibung für Berufe mit Bezug zum Gesundheits- und Sozialwesen, insb. Pflegeberufe, Ärzte, medizinisch-technische Assistenz etc. 

Die meisten Daten stammen dabei von Bewerbenden, welche sich auf IT-Stellen beworben haben. Das Verhältnis ist vor allem dadurch begründet, dass der IT-Stellenmarkt der etablierteste Stellenmarkt des Empfehlungsbundes (Betreiber von Kanaleo.de) ist

Die meisten unserer Kunden gehören der IT-Branche an bzw. verfügen die meisten Kanaleo nutzenden Unternehmen über einen hohen Bedarf an IT-Fachkräften.

Verteilung nach Stellensuchverhalten in Bezug auf dargebotene Arbeitskonditionen

In Abbildung 2 ist das Stellensuchverhalten der Bewerber dargestellt. Unter dem Begriff "Suche" beschreiben wir dasjenige Suchverhalten, bei dem ein*e Bewerber*in aktiv und aus eigenem Antrieb nach offenen Stellen recherchiert hat. Suche liegt mit 55,08% erwartungsgemäß auf dem ersten Platz. 

Auf die eigene Suche folgt die Empfehlung auf Platz 2. Unter Empfehlungen zählen sowohl Empfehlungen des persönlichen und professionellen Umkreises als auch die Empfehlung eines abgesagten Kandidaten an ein Partnerunternehmen im Rahmen eines Empfehlungsnetzwerkes. Mit 27,06% bewarben sich somit mehr als ein Viertel der Bewerbenden aufgrund einer Empfehlung. Weiter bewarben sich nur knapp 5% der Bewerbenden aufgrund einer direkten Kontaktaufnahme des Unternehmens oder aufgrund eines Personalvermittlers. 

Die Abbildung 3 beschreibt die Relevanz der einzelnen Arbeitskonditionen in Hinsicht auf die Bewerbungsentscheidung. Die Umfrageteilnehmer*innen wurden um eine Angabe gebeten, welche der aufgeführten Arbeitskonditionen ausschlaggebend für ihre Bewerbung waren.

Auffällig ist, dass sowohl die Reputation des Unternehmens und die Gehaltsentwicklung im Vergleich zu den übrigen Stellenkriterien von den wenigsten Bewerbenden als relevant eingestuft wurden. Die meisten Stimmen erhielt dabei das Kriterium Betriebsklima. 

Folglich lassen sich Bewerbende weniger von Schwärmereien über das Unternehmen in der Anzeige überzeugen als durch eine genaue Beschreibung der Tätigkeit und des betrieblichen Umfelds. 

Sonderfall: Werbung

Die Werbung nimmt in Bezug zu den Arbeitskonditionen einen interessanten Sonderfall ein, den es genauer zu diskutieren gilt. Mit "Werbung" beschreiben wir diejenigen Anzeigen von Stellenausschreiben, die mit Produkt- und Dienstleistungsanzeigen um die grundsätzlich selben Werbeplätze konkurrieren. Eine Googleanzeige, ein gesponsorter Beitrag in den Sozialen Medien oder ein Plakat sind hier häufig verwendete Anwendungsfälle. Sie ist unternehmensseitig initiierbar und erreicht passive Kandidaten.

Unsere Daten geben bedauerlicherweise keinen Einblick, inwiefern es sich um eine informative oder eine Präferenzwerbung handelt. Allerdings können wir aus den vorhanden Daten über die Arbeitskonditionen eine Unterscheidung antizipieren. Überraschenderweise nehmen die beiden eher objektiven Konditionen Arbeitsplatzsicherheit (11.05%) und Gehaltsentwicklung (8.32%) gegenüber dem eher subjektiv erlebtem Betriebsklima verhältnismäßig niedrige Plätze ein. Es bleibt fraglich, ob (A) diese Konditionen bewerberseitig auf wenig Interesse stoßen oder ob (B) Defizite des Informationsangebotes es Bewerbenden unmöglicht macht, Gehaltsentwicklung und Arbeitsplatzsicherheit als Entscheidungsgrundlage für eine Bewerbung Rechnung zu tragen.

Aufgrund der hohen Nennung von Betriebsklima tendieren wir eher dazu, dass (A) der Fall zu sein scheint. Das bedeutet, eine Präferenzenwerbung sei im Falle einer geplanten Werbekampagne die bessere Option. Hier kann das Unternehmen ein Image über das Betriebsklima formen. Allerdings sollten Werbekampagnen stets im Kontext der weitaus beliebteren Suchverhaltenstypen betrachtet werden. Werbung kann auch passive Kandidaten erreichen, hat damit immer auch eine enorme Streuung. Als alleinige Personalgewinnungsmaßnahme ist sie nicht zu empfehlen, wohl aber kann sie, langfristig angesetzt, untersützende Auswirkungen auf die anderen Suchverhaltenstypen nehmen. 

Detailierte Analyse des Suchverhaltentypus "Suche"

Die auffällig hohe Nennung des Suchverhaltenstypus "Suche" lädt dazu ein, diesen Typ genauer unter die Lupe zu nehmen.

Abbildung 4 stellt die Suche im Detail dar. Wenig überraschend dominieren die Online-Stellenbörsen das Suchverhalten. Mit 54,10% steuert ein Großteil der Bewerbenden direkt die gewünschte Stellenbörse an und sucht dort nach einer potenziellen Stelle. 19,89% der Bewerbenden geben diese Anfrage in der Suchmaschine ein. 

Mit dem Begriff "Suchmaschine" beschreiben wir Internetsuchen, wie Sie Google, Bing und Duckduckgo anbieten. Sie sollte nicht mit der Suchfunktion von Webseiten (insb. von Stellenbörsen) verwechselt werden.

Die Bedeutung von Multihoming auf den Stellenmarkt

Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen ist, dass die letztere definitiv Multihoming betreibt. Dies bedeutet, dass diejenigen Jobsuchenden, welche eine Suchmaschine nutzen, nicht an eine Stellenbörse gebunden sind. Folglich werden diese Bewerbenden durch eine Ausschreibung auf jeder beliebigen Stellenbörse erreicht. Bewerbende, die direkt eine Stellenbörse ansteuern, können aufgrund der Gebundenheit zu diesem Portal oder aufgrund fehlender Kenntnis über andere Portale, die dort exklusiv ausgeschriebenen Stellenausschreibungen nicht wahrnehmen. Näheres zum Thema Multihoming werden wir in unserem folgenden Artikel erklären. 

Selektives Suchverhalten der Bewerbenden

Die Firmeneigene Internetpräsenz wird mit 16,77% fast so oft als grundlegendes Suchverhalten genannt wie die Suchmaschine. Viele der Bewerbenden wollen somit bei einem speziellen Unternehmen arbeiten und steuern dieses direkt an. Sie sind durch eine Ausschreibung auf einer Online-Stellenbörse schwer erreichbar, vorausgesetzt die Bewerbenden bewerben sich selektiv. Zur Frage der Selektivität haben wir eine weitere Untersuchung gestartet. Hierzu betrachteten wir den Anteil der Bewerbenden, welche sich im Laufe von 72 Stunden nach ihrer Bewerbung bei einer anderen Firma erneut beworben haben. Hier beträgt der Anteil lediglich ca. 10%. Folglich stützt dies die Annahme, dass Bewerbende sich selektiv auf dem Markt verhalten. Mit anderen Worten: Ca. 90% der sich Mehrfachbewerbenden brauchen länger als 3 Tage für eine weitere Bewerbung. Der große Zeitabstand deutet auf eine ausführliche Beschäftigung und Recherche mit dem potentiellen Arbeitgeber hin bevor ein Bewerbungsschreiben eingereicht wird. 

Social Media als Recruitinginstrument

Social Media ist mit nur 5,45% in den Umfrageergebnissen vertreten. Der mutmaßliche Grund dieser geringen Nennung liegt in der Architektur der meisten sozialen Medien. Social Media Anbieter, wie Facebook und Twitter verwenden Chroniken in denen alle Inhalte in einen Contentstrom abrollen. Platzierte Stellenangebote werden hier schnell übersehen. Außerdem muss das Unternehmen eine Followergemeinschaft aufbauen, die für den momentanen Fachkräftebedarf relevant ist. Insofern Social Media lediglich als Substitut für eine Online-Stellenbörse verwendet wird, ist die Recruitingmaßnahme sehr zeitaufwendig, mit hohem Streuverlust verbunden und damit eher suboptimal. 

Wir empfehlen hingegen, Social Media als digitales Unterstützungswerkzeug für Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter Programme zu verstehen. In der Regel bringen Social Media-affine Mitarbeiter*innen bereits ein Followernetzwerk mit. Es ist gut möglich, dass sich in diesen Netzwerken Kontakte tummeln, die eine ähnliche Ausbildung erworben haben, wie Ihre Mitarbeiter*innen. Da Soziale Medien designed sind um schnell und einfach Informationen zu verteilen, lassen sich in Absprache mit den firmeneigenen "Influencern" zielgruppengerechte Stellenausschreiben multiplizieren.

Die Bewertungsportale werden nur in 1,5% Prozent der Fälle als grundlegendes Suchverhalten genannt. Ein Messestand, Printanzeige oder die eigene Firmenapp erreichen auch nur sehr wenige Jobsuchende. Zum einen liegt das an der geringen Durchdringung der Medien. Print verliert an Relevanz durch sinkende Auflagenzahlen, die firmeneigene App ist nur für große Unternehmen mit bekannter Marke umsetzbar. Ferner müssen die Apps den Bewerbenden Anreize liefern, diese auch zu besuchen bzw. herunterzuladen. Solange alle Informationen, die auf diesen Kanälen verbreitet werden auch im Internet zu finden sind, werden Bewerbende diese Angebote nicht nutzen. 

Suche im Detail nach Berufsbereichen: IT, OFFICE, MINT, SANO

Aus der Abbildung 5 wird ersichtlich, dass die Bewerbenden sich je nach Stellenart in ihrem Verhalten unterscheiden. 

Der größte Unterschied zu den anderen Stellenarten findet sich bei dem Stellenprofil SANO. Zum einen nutzen im Vergleich zu den anderen Berufsbereichen bis 20% weniger Bewerbende die Online-Stellenbörse. Ferner nutzen Bewerbende im Sanoprofil überdurchschnittlich oft die Suchmaschine und die Firmenwebsite. 

Dieses Verhalten lässt sich vor allem dadurch erklären, dass das Gesundheitswesen von Krankenhäusern dominiert wird und diese die meisten Bewerbenden einstellen. Dadurch sind diese Krankenhäuser sehr bekannt. Viele der Bewerber*innen sind dadurch nicht auf Stellenbörsen angewiesen, da diese schon vor der Bewerbung wissen, dass es in ihrer Region ein Krankenhaus gibt, was die besten Chancen für eine Anstellung bietet. 

Folglich nutzen viele der Bewerbenden für das Auffinden der Firmenwebsite die Suchmaschine. Zusammenfassend lässt sich für das SANO-Profil feststellen, dass es am wenigsten abhängig von Online-Stellenbörsen ist, da die Krankenhäuser sich einer großen regionalen Bekanntheit erfreuen.

Auf der anderen Seite der Skala liegt das Office-Profil. Die Bewerbenden dieses Berufsbereiches nutzen am häufigsten die Online-Stellenbörse. Ferner nutzt dieses Profil am seltensten die Suchmaschine. Im Gegensatz zu der Gesundheitsbranche könnte dieses Verhalten auf die fehlende Monopolstellung einzelner Unternehmen zurückzuführen sein. Folglich wissen die Jobsuchenden nicht, welches Unternehmen in Frage kommt.

Die Bewerber*innen, welche sich auf IT-Stellenanzeigen beworben haben, nutzen unter den vier vorhandenen Profilen am häufigsten Social-Media für ihre Stellensuche. Ferner nutzt das IT-Profil am zweithäufigsten die Suchmaschine. Das MINT-Profil weicht, wie das IT-Profil, nicht wesentlich vom Schnitt ab.

Zusammenfassend lässt sich die Aussage treffen, dass, bis auf das SANO-Profil, die Berufsbereiche ähnliche Suchmuster aufweisen und somit ähnliche Personalgewinnungsmaßnahmen zum Erfolg führen sollten. 

Bewerbercontrolling mit Kanaleo  

Seit 2015 befragen ausgewählte Arbeitgeber mithilfe des Bewerbercontrolling-Dienstes Kanaleo.de ihre Bewerbenden zu ihrer Bewerbungserfahrung (Candidate Experience). Sobald sich ein Bewerbungsprozess dem Ende nähert, erhält der Bewerbende Zugriff auf den Candidate Experience Fragebogen und kann hierüber seine Bewerbungserfahrung sicher und anonym angeben. Dank dieser Angaben kann der Empfehlungsbund seinen Mitgliedsunternehmen individuelle, faktengestützte Handlungsempfehlungen ausgeben, die der Verbesserung des Bewerbungsprozesses dienen. 

Für weitere Informationen zu den Fragebögen und Auswertungen besuchen Sie: www.kanaleo.de.


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