Die Informatiker(innen) von morgen
Montag, 08. September 2014, 06:00 UhrDie IT Branche boomt wie nie. Der Beruf der Zukunft in einer Welt die täglich technischer wird. Guter Lohn, sogar für Quereinsteiger. Tischtennisplatten im Büro. Teamevents und Mitarbeiterspecials von denen andere Berufsgruppen nur träumen können. Der Haken: Wo man hinschaut, fast nur Männer. Und genau an diesem Punkt setzt Railsgirls an, eine Initiative von engagierten Menschen und Unternehmen, um Frauen die Angst vor dem Programmiermonster zu nehmen. In Städten rund um den Globus werden die Events ehrenamtlich organisiert. So auch Ende August in Leipzig. Community Managerin Freya von der Pludoni GmbH war dort um endlich ihre Webentwickler-Kollegen besser zu verstehen. Hier ihr Erfahrungsbericht.
Nervös stehe ich vor einem alten, unsanierten Tapetenwerk in Leipzig Plagewitz. Mir ist etwas mulmig zumute und ich habe absolut keine Ahnung was mich erwartet, denn das gängige Vorurteil hält sich tapfer. Der Gedanke daran mein Wochenende in einem fensterlosen Keller mit merkwürdigen Typen und haufenweise Fast-Food zu verbringen will noch nicht ganz aus meinem Kopf verschwinden. Ich wette die haben alle Linux auf dem Rechner und wenn ich da mit meiner Windows Mühle ankomme, darf ich gleich wieder nach Hause fahren.
Im Gebäude angekommen sehe ich das erste Hinweisschild, zu meiner Überraschung soll ich Treppe ins Obergeschoß nehmen und nicht den Fahrstuhl in Richtung Untergeschoß. Oben angekommen stehe ich vor dem Coworking- Büro „Raumstation“, als mir schon zwei nette Mädels mit Club Mate und Cola in der Hand entgegenkommen. „Hey schön das du da bist! Setz dich einfach rein oder raus, wir sind noch nicht ganz fertig mit dem Aufbau. Nimm dir einen Kaffee oder was du magst.“
Drinnen erwartet mich eine Überraschung, ein großer, total gemütlicher Raum mit vielen Schreibtischen. Liebevoll und leicht alternativ eingerichtet. Einige junge Leute arbeiten hier, die anderen chillen auf der riesigen Dachterrasse. Ich gehe raus und sehe mich etwas um, überall Blumen und ein wundervoller Blick in den verwinkelten Innenhof. An dem Büro grenzt ein Yogastudio und wirkt total selbstverständlich - nette Pausenbeschäftigung. Das hatte ich mir ja irgendwie anders vorgestellt.
Nach und nach kommen immer mehr IT-interessierte Frauen aller Altersklassen herein und gesellen sich zu mir. Wie sich herausstellt hat hier fast niemand wirklich Erfahrung und ich merke, dass die meisten genauso gespannt und aufgeregt sind wie ich. Langsam trudeln auch einige Männer herein, sie werden für den morgigen Tag unsere Coaches sein um uns in kleinen Gruppen die Geheimnisse der Webentwicklung mit der Sprache Ruby erläutern. Spätestens jetzt wird die Dominanz der Männer in dieser Branche richtig sichtbar. Ich habe nicht ganz mitgezählt aber es waren ungefähr 10 Coaches, wovon lediglich eine einzige weiblich war. Nach einer kurzen Vorstellung ging es anschließend an die Softwareinstallation, bei mir lief alles reibungslos und ich war fast ein bisschen stolz das ich es alleine hinbekommen habe. Naja war ja auch nur die Installation.
Am nächsten Tag um 10 Uhr ging es dann erst richtig los. Kostenloses Frühstück für alle Teilnehmer und anschließend einige kleine, wirklich kurze Vorträge zweier Sponsoren. Diese stellten direkt Praktika – und Traineemöglichkeiten in der Software - oder Webentwicklung vor. Anschließend startete die Gruppenphase. Zuerst lernten wir allgemeine Dinge über die Programmiersprache Ruby und über das Framework Rails. Daher auch der Name Railsgirls. Nach einem kleinen Online-Tutorial ging es an die eigentliche Web-App. Wir programmierten, natürlich mit vorgegebenen Bausteinen ein Programm mit dem man eigene Ideen sammeln und abspeichern kann. Einige wenige Mädels schafften es sogar verschiedenen Special-Features einzubauen (die Informatikstudentinnen). Wir beschränkten uns dann doch eher auf einfachere Dinge wie Farbe und Schriftgröße. Aber immerhin konnten wir Bilder einfügen und haben ein Logo integriert.
Zum Ende hin gab es noch einen informativen Vortrag über verschiedene Programmiersprachen und die Unterschiede zwischen HTML, CSS und beispielsweise PHP oder Ruby. Anschließend folgte ein Vortrag einer Informatikstudentin, die allen Damen im Raum nochmal Mut zusprach sich doch einfach mal zu trauen, schließlich waren die ersten Programmierinnen ebenfalls Frauen und es ist doch schade das es so wenig Mädels in dem Bereich gibt. Ganz zum Schluss durften oder besser gesagt mussten wir dann unsere App den anderen Mädchen und Coaches präsentieren. Das war der spannendste Teil, denn wirklich hübsch war unser Modell nicht gerade. Aber darauf kam es auch nicht an, wir waren insgeheim ziemlich begeistert von unserer „App“.
Abschließend kann ich sagen, dass es ein unglaublich interessantes Wochenende war. Ich habe sehr viel gelernt und kann es nur weiterempfehlen. Ganz sicher habe ich alle Vorurteile die ich je hatte vergessen, mittlerweile bin ich mir sogar sicher, dass der verschrobene Hacker von gestern schon heute total angesagt ist. Info ist im Trend, das hat man gesehen.
Natürlich habe ich an einem Tag nicht programmieren gelernt, aber das angefangene Tutorial kann zu Hause weiter bearbeitet werden und am Ende soll man schon viel mehr wissen. Ich bleibe dran und vielleicht wird aus meiner „App“ ja irgendwann eine App.